Du darfst Dich nicht verlieren
Ich sitze an meinem Schreibtisch und zeichne. Dann beschließe ich mir, einen Kaffee zu machen. Ich gehe zur Küche, komme aber irgendwie vom Weg ab.
Die Waschmaschine ist fertig und piept, was das Zeug hält.
Der Mann, der mit mir hier schon viele Jahre im gleichen Haus wohnt, fragt: “Schatz, wo ist denn meine Sporttasche”?
Draussen vor der Haustür sitzt der schwarze Kater Kniesel und gibt Geräusche von sich. Er möchte rein und sofort ein Schüsselchen von der Katzenmilch und wenn es geht vielleicht auch ein Stück von dem leckeren Käse.
Kaum ist das erledigt, kommt eine WhatsApp Nachricht.
Der aktuelle Kunde möchte schnell vorbeikommen, um das neue Logo für die Firma in der er arbeitet, zu besprechen. Klar, gar keine Frage. Das machen wir. Wann? In dreißig Minuten.
Gut, dann muss ich mich schnell umziehen. In diesen wunderbar bequemen aber doch schon ziemlich gammligen Hosen kann ich den Kunden nicht empfangen. Der ist immer so schnieke. Er arbeitet bei einer Immobilienfirma. Da hat er hier im Umland von Berlin ja auch richtig gut zu tun.
Am Kleiderschrank angekommen, sehe ich den Stapel Bügelwäsche. Nee, aber nicht jetzt. In dem Moment klingelt jemand am Gartentor. Ah, der Postbote. Er fragt, ob er die Weinlieferung für den Nachbarn bei uns abgeben kann. Ja, klar, das geht schon. Er hat hat leider nicht gesagt, das es sechs Kisten á sechs Flaschen sind. Aber, wenn man einmal etwas zusagt, muss man es auch halten
Die Kisten trage ich gemeinsam mit meinem Süßen nach drinnen. Der Postbote steckt eine Benachrichtigung beim Nachbarn in den Postkasten.
Ich bin ganz geschwitzt. Vielleicht sollte ich noch schnell duschen bevor…..da klingelt es schon wieder. Der Nachbar. Also gut, tragen wir die Kisten wieder raus und natürlich auch zu ihm rüber. Er ist ja nicht mehr der jüngste.
Das wäre geschafft.
Dann fragt mich mein Süßer, wann es denn etwas zum Essen gibt. Ist ja schließlich schon weit nach der Mittagspause. Ich sage, Hase ich kriege gleich Besuch von dem Logo – Mann und will noch schnell duschen und mich umziehen.
Wollt ihr ausgehen? Nein, antworte ich. Ich möchte nur nicht verschwitzt sein. Der ist immer so geschniegelt.
Ach ja. Dann ziehst du bestimmt die neue Hose an. Vielleicht kriege ich die dann auch mal zu sehen.
Das ist genau das, was ich jetzt brauche.
Draussen wird es ganz dunkel und in der Ferne hört man es schon donnern. Komm schnell, wir müssen schnell noch die Kissen von den Gartenstühlen nehmen und den Sonnenschirm zu machen. Das geht ganz schnell.
Dann muss ich mich aber sputen. Schnell die Sachen ausgezogen und unter die Dusche gesprungen. Da klingelt es schon wieder. Ich rufe ganz laut nach meinem Süßen und frage ob er nicht mal öffnen könne. Keine Reaktion. Okay. Ich raus aus der Dusche, rein in den Bademantel und zur Tür gespurtet.
Was mein Kunde jetzt wohl denken mag? Nee, ist gar nicht der Kunde, ist mein Süßer. Er hat versehentlich die Tür zugeschlagen. Glück gehabt.
So schnell umgezogen und schon klingelt es wieder. Der Logo – Mann. Er sieht etwas abgehetzt aus. Mit den Worten – ich habe nur ganz wenig Zeit – geht er schnurstracks ins Arbeitszimmer. Frau Muggelsack, können sie mir das schnell ausdrucken? Mein Chef hat nachher eine Besprechung und möchte das Logo schon mal vorstellen. Ja, klar, kein Problem. Ich mache den Drucker an und lege Hochglanz – Fotopapier ein. Löse dann den Druckbefehl aus. Der Drucker ruckelt und ruckelt. Dann geht ein Lämpchen an, das signalisiert: Farbpatrone alle.
Dem Logo – Mann stehen die Schweißperlen auf der Stirn. Ich beruhige ihn. Kein Problem. Ich muss nur die Patrone auswechseln. Schnell hole ich die Farbe Magenta aus der Kiste und setzte sie ein. Dabei beschmiere ich meine Finger natürlich mit der Farbe. Was auch sonst. Aber endlich geht alles quasi wie von selbst. Alles ist ausgedruckt. Der Logo – Mann verabschiedet sich hastig und schon ist er weg.
Dann sehe ich, wie mein Smartphone blinkt. Meine Freundin Nele fragt, ob wir vielleicht gleich noch das Programm für den Geburtstag von ihrem Mann am Wochenende durchsprechen können. Ich rufe sie zurück und wir verabreden uns für den Nachmittag.
Die Waschmaschine piept übrigends immer noch.
Mein Süßer steht in der Küche vor dem geöffneten Kühlschrank. Sag mal, haben wir noch von dem leckeren Käse von gestern? Nee, den hat gerade Kater Kniesel gefressen. Er schaut mich mit großen Augen an. Ich schaue fragend zurück. Das kann ich mittlerweile richtig gut. Einfach so schauen. Das irritiert ihn meistens ziemlich. So auch heute. Da wird er immer so ein wenig unruhig. Das genieße ich sehr. Er ist sonst immer so überlegen, aber nicht wenn ich so schaue.
Die Tür vom Kühlschrank steht immer noch offen und es fängt an zu piepen. Ich denke, na prima. Bin mal gespannt ob mein Süßer reagiert. Er macht die Tür tatsächlich zu. Und fragt mich, ob ich nicht mal einen Kaffee machen könnte.
In dem Moment frage ich mich, was ich den ganzen Tag so mache.
Und übrigens, von dem Wein, von dem Nachbarn, haben wir keinen Schluck abbekommen.
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